Am 29. September 2014 hielt Dr. Scott Sagan einen Vortrag am Vienna Center for Disarmament and Non-Proliferation (VCDNP) zum Thema „Why do states want nuclear weapons?“. Dr. Sagan ist Senior Fellow an der Universität Stanford und gilt als Experte im Bereich der Nuklearwaffenpolitik und nuklearen Abrüstung. ICAN Austria hat sich den spannenden Vortrag angehört und fasst hier die wichtigsten Punkte zusammen.
Der Frage nachgehend, welche Beweggründe Staaten haben, den Besitz von Nuklearwaffen anzustreben und welche Faktoren diese Entscheidung beeinflussen, verwies Dr. Sagan auf drei ausschlaggebende Faktoren: Sicherheitspolitik, Innenpolitik und Normen. Damit stellte er das gängige realistische Erklärungsmuster infrage, das nämlich davon ausgeht, dass Staaten allein dann Interesse an Nuklearwaffen zeigen, wenn sie sich mit einer militärischen Bedrohung konfrontiert sehen, der sie sich mit konventionellen Waffen nicht adäquat stellen können. Zwar sei dieses sicherheitspolitische Erklärungsmodell mitunter zutreffend, allerdings müsse in anderen Fällen wiederum die Innenpolitik der betreffenden Staaten herangezogen werden. So würden etwa die Positionen innenpolitischer Akteur*innen wie die Atomenergie-Branche oder Vertreter*innen des Militärs die Nuklear(waffen)politik eines Staates beeinflussen. Indiens Nuklearwaffenpolitik sowie die nukleare Abrüstung Südafrikas seien hier als Beispiel zu nennen.
Schließlich seien Normen ein – vielleicht unterschätztes – Erklärungsmodell: Früher galt, so Sagan, dass jeder Staat, der zu den Großmächten zählen wollte, Nuklearwaffen besitzen müsse. Dieses Denken habe mittlerweile auch mithilfe des Atomwaffensperrvertrags (Non-Proliferation Treaty – NPT) eine Wendung erfahren, indem er neue Normen und somit neue Verhaltensregeln geschaffen habe. Beispielsweise gelte nun viel eher, dass Staaten, die etwas auf sich halten, den Vereinbarungen des NPT folgen und zu ihren darin eingegangenen Verpflichtungen stehen sollten.
Sagan beschäftigte sich auch mit der Frage, wie und ob die Verbreitung von Kerntechnologie in Zusammenhang mit der Verbreitung von Nuklearwaffen stehe. Es zeige sich, dass nukleare Katastrophen die Zunahme von Atomkraft nur verzögere, nicht aber aufhalte. Eine Überprüfung der Faktoren Governance, Korruption und Regimetyp würde zeigen, dass jene Staaten, die Atomkraft anstreben, in all diesen Bereichen schlechter abschnitten als Staaten, die bereits im Besitz dieser Technologie seien. Dies zeige vor allem die politischen Herausforderungen in diesen Staaten, die größtenteils zu den weniger entwickelten zählen. Deshalb müssten in Staaten, die Atomkraft anstreben, Safety, Security und Safeguards besonders aufmerksam beobachtet werden.
Steht nun also der Regimetyp in Zusammenhang mit dem Besitz von Nuklearwaffen? Sowohl demokratische als auch nicht demokratische Staaten sind ja in Besitz von Nuklearwaffen. Es zeige sich allerdings, dass diejenigen Staaten, die ihren Verpflichtungen im Rahmen des NPT nicht nachkommen („cheating states“), ausschließlich nicht demokratische Staaten seien, etwa Syrien, der Iran, Iraq, Libyen. Eine Ausweitung von Kerntechnologie in diesen nicht demokratischen Staaten könne also durchaus mit Risiken verbunden sein. Die Verbreitung von Kerntechnologie müsse besser geregelt werden, um den Nichtverbreitungs- und Abrüstungsbemühungen nachkommen zu können, schloss Sagan.
(Andrea Schmidtberger)
Mit herzlichem Dank an VCDNP für die Bereitstellung des Fotos von Scott Sagan.