Eine der kompliziertesten Fragen des Nuklearwaffenverbotsvertrags lautet: Wie kann nukleare Abrüstung konkret vorangetrieben werden? Darum ging es bei den Verhandlungen am Montag (19. Juni) und diese Frage wird auch in den Artikeln 2 bis 5 des Vertragsentwurfes behandelt.
Keiner der neun Staaten, die derzeit im Besitz von Nuklearwaffen sind, nimmt an den Verhandlungen teil – manche verhalten sich sogar offen ablehnend. Dennoch unterstützen einige nach eigenen Angaben die nukleare Abrüstung. Ihre Weigerung, relevant und effektiv abzurüsten, ist allerdings der Grund, weshalb die Verbotsverhandlungen überhaupt stattfinden.
Unter Berücksichtigung dieser Situation haben die verhandelnden Staaten einige Optionen. Sie können ein starkes Verbotssystem entwickeln, das praktische Auswirkungen auf die Nuklearstaaten und ihre Verbündeten zum Ziel hat. Dieses System würde die Staaten zu nuklearer Abrüstung drängen, indem ihre Politik stigmatisiert wird. Die verhandelnden Staaten können mit dem Abkommen aber auch einen konkreten Rahmen für künftige Abrüstung schaffen. Diese beiden Optionen schließen sich nicht aus. Vielmehr sollte großer Wert daraufgelegt werden, dass das erste Ziel erreicht wird – als Mittel, zur Erreichung des zweiten.
Der offizielle Vertragsentwurf verbietet Staaten, Nuklearwaffen zu besitzen, sich an nuklearen Allianzen zu beteiligen oder ihnen beizutreten. In Artikel 4 schreibt er Staaten vor, ihre Waffen erst loszuwerden, um dann dem Abkommen beitreten zu können („destroy and join„). In Artikel 5 erlaubt der Entwurf den Nuklearwaffenstaaten und ihren Verbündeten, mit Staaten, die den Verbotsvertrag unterzeichnet haben, über Programme zur Vernichtung von Nuklearwaffen und „andere effektive Maßnahmen“ zur nuklearen Abrüstung zu verhandeln.
Einige Staaten (Österreich, Irland, Mexiko, Neuseeland und andere) wollen, dass der Vertrag allen Staaten offen ist. Sie bevorzugen einen „join and destroy„-Ansatz. Die ersten Reaktionen in der Diskussion am Montag zeigten Zustimmung für einen Ansatz im Stil von „destroy and join„. Andere möchten, dass beide Wege zur Abrüstung im Vertrag offen gelassen werden.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Vertrag für alle Staaten offen zu lassen, und gleichzeitig die Staaten von Nuklearwaffen und einer Abschreckungspolitik abzuhalten. Südafrika hat am Montag einen Vorschlag eingebracht, der eine mögliche „join and destroy„-Option umreißt. Demzufolge könnte jeder Staat dem Abkommen beitreten, nachdem er eine Erklärung zum Nuklearwaffenbesitz und anderen relevanten Aktivitäten abgegeben hat. Wenn ein Land, das dem Vertrag beitreten möchte, Nuklearwaffen besitzt, auf dem eigenen Territorium lagert, oder sich an der Planung eines Nuklearwaffeneinsatzes beteiligt, muss es damit aufhören – und zwar in einem bestimmten Zeitraum, der im Verbotsvertrag festgelegt ist. Die Zeitpläne sind momentan mit einem X versehen.
Südafrikas Vorschlag lässt Artikel 5 bestehen, streicht aber den kompletten Artikel 3 sowie den Anhang zu Überprüfungsmaßnahmen. Der Entwurf fordert von Staaten, dass sie innerhalb einer bestimmten Zeit ein Sicherheitsabkommen mit der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) abschließen, falls sie dies noch nicht getan haben. Der Vorschlag verlangt zudem, dass die IAEA die Erklärung zur Vernichtung der Nuklearwaffen auf „Vollständigkeit und Richtigkeit“ überprüft. Darüber hinaus sollen alle Atomanlagen unter IAEA-Kontrolle fallen.
Während die meisten Staaten auf der Verhandlungskonferenz der Meinung waren, dass neue Überprüfungsmechanismen für den Verbotsvertrag unnötig seien, befürworten die meisten auch eine Stärkung des IAEA-Überwachungssystems. Es gibt eine breite Zustimmung für den Vorschlag, sich in dem Verbotsvertrag auf das Überwachungssystem zu beziehen, statt auf konkrete Vereinbarungen, die teils mehrere Jahrzehnte alt sind.
Viele Delegationen meinten, die aktuelle Konferenz in New York sei nicht das richtige Umfeld für eine Diskussion über eine Verbesserung des Überwachungssystems, auch wenn dieses derzeit nicht einwandfrei ist. Die Delegation aus Malaysia argumentierte, der Verbotsvertrag müsse dynamisch sein und die Möglichkeit offen halten, später noch Protokolle und andere Instrumente einzubauen. Irland erklärte: „Wir können nicht in die Zukunft sehen, wir können nur mit ihr planen.“
In diesem Stil plädierte Irland auch dafür, dass der Vertrag keine detaillierten Vorgaben für den Vernichtungsprozess machen sollte. „Es ist nicht Teil des Mandats dieser Konferenz, es ist in der vorgegebenen Zeit nicht realisierbar und es ist auch nicht nötig, jetzt die detaillierte Ausgestaltung für die Beseitigung von Nuklearwaffen zu diskutieren“, sagte die irische Delegation am Montag.
Sie schlug vor, dass ein Staat seine Absicht, dem Vertrag beizutreten, kundtun kann, selbst wenn er nicht in der Lage ist, eine Erklärung abzugeben, dass er nach einem bestimmten Datum keine Nuklearwaffen besitzen oder erwerben wird. Ein Treffen der Vertragsparteien könne dann die Eckdaten für einen Prozess festlegen, in dem die Bedingungen für einen Beitritt verhandelt werden.
Die Verhandlungsparteien müssen sich klar werden, wie Staaten, die momentan nicht bei den Verhandlungen dabei sind, dem Abkommen beitreten können. Wenn es unser Ziel ist, sie dazu zu bringen, indem wir es ihnen (politisch, rechtlich, wirtschaftlich und sozial) schwieriger machen, ihre aktuelle Nuklearwaffenpolitik fortzuführen, dann brauchen wir ein starkes Verbotssystem und umsetzbare Mechanismen für den Beitritt und damit die Anerkennung dieser Verbote.
Universelle Gültigkeit ist das Ziel jedes Vertrags – und sollte sicherlich auch das Ziel dieses Vertrags sein, der das Ende des nuklearen Zeitalters erreichen möchte.
Verfasst von Ray Acheson, Reaching Critical Will, in Nuclear Ban Daily Vol. 2 Nr. 4. Aus dem englischen übersetzt von Felix Werdermann (siehe www.icanw.de).
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Weitere Links:
- UN-Pressebericht (in englischer Sprache): Member States Consider How to Improve Draft as Conference Continues Debate on Legally Binding Instrument to Ban Nuclear Weapons