New York/Wien. 

Donnerstagnacht stimmte in New York eine überwältigende Mehrheit der Staatengemeinschaft im Ersten Ausschuss der UN-Generalversammlung für den Start von Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot noch im Jahr 2017. 123 Staaten votierten für Resolutionsentwurf L.41 und somit für das Mandat, bereits im März, Juni und Juli 2017 eine entsprechende UN-Konferenz einzuberufen. 38 Staaten, angeführt von Russland, den USA sowie den meisten NATO-Staaten stimmten dagegen, 16 Staaten enthielten sich der Stimme.

Die Resolution wurde von insgesamt 57 Nationen miteingebracht – dabei übernahm Österreich, gemeinsam mit Brasilien, Irland, Mexiko, Nigeria und Südafrika die Führungsrolle.

„Dies ist eine historische Entscheidung, die das Ende eines nahezu zwei Jahrzehnte andauernden Stillstands in multilateralen nuklearen Abrüstungsbemühungen bedeutet“, sagt Nadja Schmidt, Executive Director beim von ICAN Austria. Weiters: „Das gestrige Votum in den Vereinten Nationen zeigt sehr klar, dass eine Mehrheit der Staaten ein Verbot von Atomwaffen als notwendig, realisierbar und vor allem dringend betrachtet, einen Fortschritt in den Bemühungen um eine Atomwaffenfreie Welt zu erzielen.“

Das Abstimmungsergebnis kommt einer abrüstungspolitischen Revolution gleich. Noch nie haben es die atomwaffenfreien Staaten gewagt, die Atomwaffenstaaten und ihre Alliierten in einer solchen Frage zu überstimmen. Dies ist auch der breiten und beharrlichen zivilgesellschaftlichen Unterstützung durch die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) zu verdanken. Die Entscheidung stellt auch eine neue weltpolitische Weichenstellung dar. Angesichts der Spannungen zwischen NATO und Russland, die zunehmend auch zu einer Verschärfung der nuklearen Rhetorik und Aufrüstung geführt haben, ist das Votum in New York von herausragender geopolitischer und diplomatischer Bedeutung.

Entsprechend stark war zuvor der Druck seitens der ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, die, mit Ausnahme von China, ihren privilegierten Status auch mit Blick auf Atomwaffen verteidigen wollen. Dies gelang ihnen offenkundig nicht.

Das Europäische Parlament hatte noch am Donnerstagnachmittag alle EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, für die Verhandlungen zum Atomwaffenverbot zu stimmen. Hierzu Leo Hoffmann-Axthelm, für ICAN in Brüssel: „Es ist ermutigend, dass neben Österreich, Schweden, Irland, Malta und Zypern auch das EU-Parlament mit breiter Mehrheit auf der richtigen Seite der Geschichte stand“.

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Hintergrundinformation

Nukleare Abrüstung steht seit den ersten Stunden der Vereinten Nationen im Jahr 1945 hoch oben auf der Prioritätenliste der internationalen Organisation. Bemühungen, dieses Ziel voranzutreiben, sind in den letzten Jahren allerdings ins Stocken gekommen, und nuklear bewaffnete Staaten haben wieder zunehmend in ihre Nuklearwaffenarsenale investiert. Bezeichnend für diesen Stillstand ist der Comprehensive Test Ban Treaty, das letzte multilaterale Abrsütungsinstrument das seit 1996 verhandelt wurde – und der Vertrag ist bis heute noch nicht in Kraft getreten.

Resolution L.41 ist die Umsetzung der Empfehlung einer Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zu nuklearer Abrüstung, die dieses Jahr in Genf getagt hat, um verschiedene Herangehensweisen für eine nuklearwaffenfreie Welt zu diskutieren.

Drei Staatenkonferenzen in Norwegen, Mexiko und Österreich in 2013 und 2014 zu den humanitären Auswirkungen von Kernwaffen haben den Weg für diesen Etappensieg geebnet und schafften bei nicht bewaffneten Staaten ein Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung der nuklearen Abrüstung. Die Wiener Konferenz schloss mit dem Humanitären Pledge (das Versprechen, gemeinsam Nuklearwaffen zu stigmatisieren, zu verbieten und zu eliminieren), dem sich nicht zuletzt Dank ICAN 127 Staaten anschlossen.

Opfer und Überlebende von Atombomben haben zu diesem Prozess maßgeblich beigetragen. „Dies ist ein wahrlich historischer Moment für die gesamte Welt“, so Setsuko Thurlow, Hiroshima-Überlebende. „Für diejenigen unter uns, die die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki überlebt haben, ist es ein sehr fröhlicher Anlass. Wir haben so lange auf diesen Tag gewartet“.

Es gibt heute immer noch über 15.000 Nuklearwaffen auf der Welt, in den Händen von 9 Staaten. Die meisten dieser Staaten haben – so wie ihre Bündnispartner wie bsw. NATO-Staaten haben gegen die Resolution gestimmt. Doch Staaten in Afrika, Lateinamerika, der Karibik, Südostasien und dem Pazifik haben mit überwältigender Mehrheit für die Resolution gestimmt und werden wohl auch bei den kommenden Verhandlungen in New York nächstes Jahr eine wichtige Rolle spielen.

Letzten Montag erst hatten 15 Nobelpreisträger Staaten dazu aufgerufen, die Verhandlungen zu unterstützen damit schnellstmöglich auf die vollständige Abschaffung dieser existenziellen Bedrohung für die Menschheit hingearbeitet werden kann.

Auch das Internationale Komitee des Roten Kreuzes hat an Regierungen appelliert, diesen Prozess zu unterstützen: dies sei eine „einmalige Gelegenheit“ für die Staatengemeinschaft ein Verbot der „zerstörerischsten aller je erfundenen Waffen“ zu erwirken.

Zudem hat das Europäische Parlament mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, in dem die Europaabgeordneten die UN-Resolution begrüßen und die EU-Mitgliedstaaten dazu aufrufen, sich an den Verhandlungen „konstruktiv zu beteiligen“.

Auch große NGOs wie Amnesty International und Greenpeace feierten die Annahme der Resolution L.41 als Durchbruch für nukleare Abrüstung.

 


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