Vor 60 Jahren veröffentlichten renommierte Intellektuelle wie Albert Einstein und Bertrand Russell ihr berühmtes Manifest, das die vollkommene Abschaffung von Nuklearwaffen forderte:
“We appeal as human beings to human beings: remember your humanity, and forget the rest“.
Um sozusagen diesem Jubiläum zu gedenken, aber auch um die weitere Strategien für den Start von Verhandlungen zu einem Verbotsvertrag von Nuklearwaffen zu diskutieren, trafen sich von 6. bis 7. Juli ICAN Campaigner*innen aus vielen europäischen Staaten, aber auch Japan und Australien im Hauptquartier von Amnesty International in London. ICAN Austria war mit Nadja Schmidt und Philine Scherer-Dressler vertreten.
Zur Einstimmung wurde am Vorabend der Film „The Man Who Saved The World“ gezeigt. Er erzählt die (wahre!) Geschichte von Stanislav Petrov – der Mann, der 1983 auf einen scheinbaren nuklearen US-Angriff als leitender sovietischer Offizier keinen Gegenangriff forderte, und somit die Welt vor einem nuklearen Krieg bewahrt hat.
Zunächst wurden die Entwicklungen während und seit der Überprüfungskonferenz des Vertrages über Nichtweiterverbreitung von Nuklearwaffen (NPT „RevCon“) präsentiert. Obwohl die RevCon faktisch an der Frage der massenvernichtungswaffenfreien Zone für den Nahen Osten gescheitert ist, war sie ein voller Erfolg für die humanitäre Initiative : 114 Staaten – also die Mehrheit der Staatengemeinschaft! – haben sich dem „Humanitarian Pledge“ (vormals „Austrian Pledge“) angeschlossen und somit ihren Willen bezeugt, den „legal gap“ rund um Nuklearwaffen zu füllen. Laut Thomas Nash, Direktor der NGO Article 36, sind wir somit an einem kritischen Wendepunkt angelangt.
Zwei Zeitzeugen der Britisch Nuclear Test Veterans Association, welche mit nicht einmal 20 Jahren den britischen Nukleartests in den 50er und 60er Jahren schutzlos ausgesetzt worden waren, teilten ihre Geschichte mit den Teilnehmer*innen. Die Strahlungen hatten nicht nur auf ihre Gesundheit, sondern auch auf die ihrer Nachkommen verheerende Folgen. Bis heute haben sie keinerlei Entschädigung enthalten.
Sie erinnern uns daran, den Opfern der tausenden Nukleartests zu gedenken – bisher wurden die Tests der Nuklearwaffenstaaten nur zu oft unter den Teppich gekehrt. Dies brachte uns zu den Prinzipien für den Verbotsvertrag: Damit in Zukunft die Stimmen der Opfer mehr Gehör finden, fordern wir unter anderem, dass die Rechte der Opfer im von den Pledge-Staaten anvisierten „lückenfüllenden Instrument“ verankert werden. Das soll sich auch in der Beteiligung an zukünftigen Verhandlungen wiederspiegeln: alle Staaten können sich diesen anschließen, doch kein Staat soll sie blockieren können. Somit soll verhindert werden, dass es zu Blockadesituationen wie in der Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen in Genf kommt, bei der das Konsensgebot von den Nuklearwaffenstaaten ausgenützt wird, um jeglichem Fortschritt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Mehr Informationen zu den Prinzipien, welche ein Verbotsvertrag beinhalten sollte, findet ihr hier.
In welchem Forum also könnten Verhandlungen geführt werden? Theoretisch könnten die 114 Pledge-Staaten jederzeit beschließen, damit zu beginnen. Daher ist die Zivilgesellschaft gerade jetzt gefordert, den Pledge-Staaten Rückenwind zu geben.
2015 ist mit dem 70. Jahrestag der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki ein wichtiger Anlass, die Öffentlichkeit noch tiefgründiger zu informieren und die Forderung nach einem Verbotsvertrag noch breiter nach außen zu tragen. Campaigner*innen aus Schweden, Deutschland, Frankreich, Spanien, Rumänien, Großbritannien und Norwegen haben dazu über den aktuellen Stand der Dinge in ihrem Land und über geplante Aktionen und Gedenkfeiern berichtet. Philine Scherer-Dressler hat für ICAN Austria berichtet!
Unser Ziel ist es, dass die Entwicklung und Produktion, das Testen, der Erwerb, das Lagern, die Weitergabe oder Bereitstellung, die Androhung eines Einsatzes oder den Einsatz von Nuklearwaffen, aber auch die Finanzierung, Unterstützung, Förderung oder die Veranlassung dieser Tätigkeiten verboten werden. „Divestment“ Kampagnen zielen genau auf Letzteres ab: in einem Workshop rund ums Thema konnten wir natürlich auch von unserer Kampagne von letztem Herbst berichten („Erste Bank raus aus Nuklearwaffen„) – Dank eurer Unterstützung eine der erfolgreichsten Divestment-Kampagnen!
Parlamente spielen in dieser Hinsicht ebenfalls eine wichtige Rolle: Unter den vielen Teilnehmer*innen waren auch einige im Lobbyieren von Parlamentarier*innen versierte Campaigner*innen. Leo von Axthelm (ICAN Deutschland) berichtete von den letzten Entwicklungen im Europäischen Parlament, wo sich Dank Informationsveranstaltungen immer mehr Abgeordnete mit der Thematik eines Nuklearwaffenverbotsvertrages auseinandersetzen. Der vom österreichischen Nationalrat letzten Sommer einstimmig angenommene Entschließungsantrag gilt für die anderen europäischen Campaigner als Vorbild – wir berichteten daher über unsere Lobbying-Aktivitäten in diesem Bereich.
Im Workshop zu Gender und Nuklearwaffen zeigte Ray Acheson von Article 36 und WILPF die zurzeit herrschenden Gendermuster im politischen Feld der Abrüstung auf und gemeinsam konnten wir diskutieren, wie man diese Muster erkennt und gezielt entkräften könnte. Mehr dazu könnt ihr in dieser Infobroschüre lesen.
Für Bilder des Treffens schaut auf FlickR vorbei, mehr gibt es auch auf Storify. Zum Abschluss hier noch ein Video mit musikalischer Untermalung der kanadischen Band The Burning Hell:
Wir danken den Organisator*innen, allen voran Rebecca Sharkey und Holly Lubran, die das Treffen so erfolgreich organisiert haben. Herzliche Gratulation unseren lieben Kolleg*innen!
(Autorin: Philine Scherer-Dressler)